Nur eine Kajira

Tania liebte Ihr Leben, sie hatte es auch nie anders gekannt. Seit sie als Tochter einer Zucht-Kajira im Sklavenhaus Tahomi in Turia zur Welt kam, war sie darauf vorbereitet worden, einst den Freien der stolzen Stadt zu dienen. Als sie noch ein Kind war, geschah dies im Spiel, erst im Alter von 14 Jahren begann ihre Ausbildung, die streng und gründlich war. Zwei Jahre später bekam sie offiziell den Status einer Kajira, denn nun galt sie als Frau. Unerweckt zwar, noch nicht geöffnet, aber nach den Gesetzen der Stadt auch kein Kind mehr. Und als Tochter einer Kajira war auch sie selbst eine Sklavin. Es machte ihr nichts aus. Es war ihr Leben, es war ihre Aufgabe, ihr Dienst an der Stadt, den sie annahm.
Bis dahin lernte sie, zu dienen. Sie lernte, auf kleinste Gesten zu achten, der Herrschaft die Wünsche förmlich von den Augen abzulesen, noch bevor diese ausgesprochen wurden. Tanz nahm eine wichtige Rolle ein, aber auch handwerkliches Geschick und vieles mehr.
Eines Tages war es dann soweit, sie bekam einen Kragen aus feinem Leder umgelegt, wurde in eine saubere Sklaven-Tunika gekleidet und zusammen mit anderen Mädchen zum Markt geführt. Wie aufgeregt sie damals gewesen war! Wie würde ihr zukünftiger Herr sein? Dass sie einen bekommen würde, daran hatte sie keine Zweifel. Sie war hübsch, gut ausgebildet, ihre Herrin in der Sklavenschule sagte ihr sogar einmal, dass sie einen guten Preis bringen würde.
Sie bekam einen Herren, ein Krieger, Taron von Turia, Kommandant der Stadtwache. Er war ein großer, starker und beeindruckender Mann, seine Freie Gefährtin eine ebenso stolze Frau. Mona von Turia selbst war es, die Tania für ihren Partner kaufte. Denn bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes gab es Komplikationen, und seit diesem Tag konnte sie ihm nicht mehr geben, was jede Frau ihrem Partner gerne geben würde.
Die Herrschaften waren gut zu Tania. Der Haushalt war nur klein, da Taron viel Zeit in der Kaserne zubrachte. So erledigte Tania den Haushalt, half der Herrin, die zusehens verwelkte und Nachts diente sie dem Herrn. Wenn sie zurückdachte, wie er sie einst öffnete, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Es war ganz anders gewesen, als manche der älteren Sklavinnen es ihr erzählt hatten. Nicht brutal, sondern eher sanft. Überhaupt war Taron ein sehr gefühlvoller Mann. Er mochte Gedichte, die Natur, es kam sogar vor, dass er sich Tania einfach nur auf den Schoß setzte, um dann stundenlang die Wolken zu beobachten.
So vergingen für Tania drei Jahre, in denen sie zur Frau heranreifte, vieles lernte und ein für eine Kajira sehr gutes Leben führte. Dann starb Mona von Turia.
Der Tod Monas traf ihren Herrn sehr. Er vergrub sich in seine Arbeit, lies niemanden an sich heran, bis er eines Nachts Tania zu sich rief. Er liebte sie mit einer Inbrunst, die sie bis dahin nicht erlebt hatte. Irgendwann drehte er sich zur Seite, für Tania wie immer das Signal, das Nachtlager zu verlassen, denn es stand ihr nicht zu, dort zu schlafen. Sie erschrak, als ihr Herr plötzlich rief: "Bleib!" Sie erstarrte, völlig verunsichert. Da sprach er wieder: "Bleib, Tania, bleib diese Nacht bei mir." Da stieg sie zurück ins Lager, drückte sich an ihn und spürte, dass er weinte.
Nach dieser Nacht änderte sich Tanias Leben. Ihr Herr ließ in den Stadtarchiven offiziell vermerken, dass sie von nun an die En-Kajira seines Hauses sei. Des Weiteren wurde sie damit betraut, den Haushalt zu führen.
Der Sohn von Taron und Mona wurde in Pflege gegeben, denn er war noch zu klein, und es war undenkbar, einer Kajira die Erziehung eines Kindes eines Kriegers zu überlassen. Aber Tania konnte spüren, wie sehr Taron seinen Sohn vermisste. Und noch eines konnte Tania spüren: Ihr Herr rief sie immer öfters zu sich und er hörte auf, sie Gästen zu überlassen, und langsam, ganz langsam wurde sie sich klar darüber, dass sie ihren Herrn liebte – und er ebenfalls etwas für sie empfand. Tania war glücklich. So verging ein weiteres Jahr.
Eines Morgens kam ihr Herr früh zu ihr in die Kammer: "Tania, ich will, dass Du die beste Tunika anziehst und Dein Haar herrichtest. Und trage das hier!" Er warf ihr ein kleines Bündel zu. Tania öffnete es mit bebenden Fingern und staunte, als sie den Inhalt sah. Es war ein Gesichtsschleier! Sie sah Taron fragend an. Der machte eine abweisende Handbewegung. "Ich will nicht, dass andere Männer dich so sehen, wie ich dich sehe!" Sie nickte: "Ja, Herr." Aber insgeheim fragte sie sich, was geschehen sein konnte.
10 Minuten später stand sie vor ihm, in einer Aufmachung, die ihr völlig fremd war. Taron ging nachdenklich um sie herum, nickte dann und nahm eine feine, nicht zu schwere Kette von einem Haken an der Wand, die er an ihrem Collar befestigte. Anschließend nahm er einen Lederriemen und band ihr die Hände auf den Rücken. Tania erschrak. Sollte sie etwa verkauft werden? Hatte sie einen Fehler gemacht, ihrem Herrn schlecht gedient? Aber dazu passte das feine Lächeln auf dem Gesicht des Herrn nicht. Tief verwirrt folgte sie ihrem Herrn aus dem Haus.
Fast wie in Trance ging sie, dem sanften Zug der Kette folgend, durch die Straßen der Stadt. Erst als Ihr Herr die Kette symbolisch um einen Pfosten legte, die Fesseln löste und ihr befahl, hier zu warten, kam sie wieder voll zu sich. Es war das Magistratsgebäude, das ihr Herr betrat.
Sie wartete, sich fragend, was geschehen sein mochte, zwischen Hoffen und Bangen, und sie hatte Mühe, die Tränen zurück zu halten. Einige Zeit verging, die Straße war praktisch leer, erst, wenn die Mittagshitze vorbei war, würde sich der Platz wieder mit Leben füllen.
Da bemerkte sie drei Gestalten, die sich ihr näherten. Sie wirkten schmutzig, verlottert, und sie trugen lange Messer bei sich. Als einer der drei wortlos die Kette aufnahm, begann sie zu schreien.
Sofort legte sich eine schmutzige Hand auf ihren Mund und kräftige Hände zwangen ihre Arme auf den Rücken. Aber noch bevor sie gefesselt werden konnte, stürzte Taron aus dem Eingang vom Gebäude hervor, übersah mit einem Blick die Situation und zog sein Schwert. Tania wurde zu Boden gestoßen, die drei Fremden machten Front gegen ihren Herrn.
Sie hatten sich gründlich verschätzt. Ihr Herr war ein Krieger, durchtrainiert, schnell und tödlich. Der erste fiel mit gespaltenem Schädel, noch bevor er sein Messer heben konnte, der zweite sackte nach einem Tritt zu Boden. Doch das gab dem dritten die Gelegenheit, ihrem Herrn eine Handvoll Staub in die Augen zu werfen, und Tania sah mit Schrecken, dass der zweite Mann aufstand und sein Messer hob, um es Taron in den Rücken zu stoßen. Da sprang sie auf und warf sich mit einem Schrei zwischen ihren Herrn und den Angreifer.
Tania spürte keine Schmerzen, sie stand einfach nur da und fühlte, wie die Kraft sie verließ, ihr Gesicht drückte nur Erstaunen aus als sie taumelte und zu Boden fiel. Sie hörte einen wilden Kampfschrei und mehrfach das grausige Geräusch von Stahl der Fleisch und Sehnen zerfetzte. Dann wurde es dunkel um sie.
Als sie wieder zu sich kam, fand sie sich von einer Menschenmenge umringt. Ihr Herr und ein Heiler – es musste einer sein, denn er trug die Farben seiner Kaste – knieten neben ihr. Sie hatte nur Augen für Taron, und sie war unendlich froh, als sie sah, dass das Blut, mit dem er verschmiert war, nicht das seine war. So sah sie nicht den Blick, mit dem Taron den Heiler ansah und das Kopfschütteln, das er als Antwort erhielt.
Taron sah sie an, unfähig zu glauben, was er sah. Noch immer hielt er das Dokument in den Händen, wegen dessen er mit Tania hergekommen war, und er starrte auf das Blut, das einfach nicht aufhörte, aus Tanias Körper zu strömen. Da nahm er sie in die Arme. "Tania? Tania? Hörst du mich?" Tania nickte schwach: "Ja, mein Herr, natürlich." Taron schüttelte den Kopf. "Siehst du das, Tania? Dieses Dokument?" Er hielt ihr das Pergament so hin, dass sie es sehen konnte. "Du bist frei Tania!" sprach er leise. "Frei, verstehst du?" Dann drückte er ihr das Dokument in die Hand. Tania sah ihm in die Augen. Ihr Blick wurde klar: "Frei?" flüsterte sie. Und dann noch mal, leiser jetzt und schwächer: "Frei? Ich war… immer frei…" Sie lächelte, dann wurden ihre Augen trüb und ihr Kopf fiel kraftlos zur Seite.
Taron schrie auf und drückte den nun leblosen Körper der Frau an sich, und er weinte. Einer der Umstehenden sah seinen Nachbarn fragend an: "Was hat er denn? Sie war doch nur eine Kajira".